Die Aprikose (Prunus armeniaca), diese kleine, samtige Steinfrucht in leuchtendem Goldorange, ist ein wahrer Schatz der Botanik und der Kulinarik. Trotz ihres botanischen Namens, der auf Armenien verweist, wird der Ursprung der Aprikose heute mehrheitlich in China vermutet, wo sie bereits vor über 4.000 Jahren kultiviert wurde. Über die Seidenstraße gelangte sie in den Nahen Osten und später durch die Römer nach Europa. Im Mittelmeerraum, insbesondere in der Türkei, dem Iran und den Mittelmeerländern Südeuropas (Spanien, Italien, Griechenland), fand sie ideale klimatische Bedingungen und wurde zu einem festen Bestandteil der regionalen Küchen.
Die Aprikose zeichnet sich durch ihren hohen Gehalt an Beta-Carotin (Provitamin A) aus, dem sie ihre intensive Farbe verdankt. Sie ist eine wertvolle Quelle für Ballaststoffe, Kalium und Eisen. Ihr Geschmack ist eine exquisite Balance zwischen Süße und einer feinen Säure, die sie extrem vielseitig macht – sowohl in süßen Desserts als auch in herzhaften Gerichten (man denke an orientalische Tajines). Ob frisch, getrocknet (als Malatya Aprikosen der Türkei), als Marmelade oder als Kern (der Aprikosenkern wird manchmal in der Patisserie verwendet, muss aber wegen des enthaltenen Blausäure-Vorläufers, Amygdalin, mit Vorsicht genossen werden) – die Aprikose bereichert die globale Küche auf vielfältige Weise.
Die kurze Saison der frischen Früchte im Hochsommer (Juni bis August in Europa) macht sie zu einer begehrten Delikatesse.
Fünf Aprikosen-Desserts aus aller Welt
Die einzigartige geschmackliche Balance der Aprikose hat sie zum Star zahlreicher regionaler Süßspeisen gemacht. Hier ein Querschnitt durch fünf köstliche, traditionsreiche Aprikosen-Desserts aus verschiedenen Regionen der Welt:
1. Österreich: Marillenknödel (Wachau)
Die Region Wachau in Österreich ist berühmt für ihre Wachauer Marille, eine geschützte Sorte. Die Marillenknödel sind das kulinarische Aushängeschild und ein Musterbeispiel für die österreichische Mehlspeisenküche.
- Besonderheit und Region: Marillenknödel sind süße, weiche Klöße, die aus Kartoffel- oder Topfenteig (Quarkteig) hergestellt werden. In ihrem Inneren verstecken sie eine ganze, entsteinte Marille, deren Kern oft durch ein kleines Stück Würfelzucker ersetzt wird.
- Zubereitung: Der Teig wird um die Frucht gewickelt und die Klöße werden in leicht siedendem Salzwasser gekocht, bis sie an die Oberfläche steigen. Anschließend werden sie in gerösteten Butter-Semmelbröseln gewälzt und warm serviert. Die Kombination aus zartem Teig, heißer, saftiger Aprikose und knusprigen, buttrigen Bröseln ist unwiderstehlich.
2. Frankreich: Tarte aux Abricots (Südfrankreich, Provence)
Die französische Küche perfektioniert die Eleganz und Einfachheit, und die Tarte aux Abricots ist ein Paradebeispiel für ein klassisches Sommerdessert.
- Besonderheit und Region: In der Provence und im Languedoc, wo Aprikosen reichlich wachsen, wird diese Tarte oft mit einem einfachen Mürbeteig oder Blätterteig zubereitet. Die Früchte werden halbiert und offen auf den Teig gelegt.
- Zubereitung: Die Tarte wird gebacken, bis die Früchte karamellisiert und der Boden goldbraun ist. Nach dem Backen wird sie häufig mit einem Aprikosen-Marmeladen- oder Gelee-Guss (Nappage) überzogen, um Glanz und eine zusätzliche Süße zu verleihen. Sie wird lauwarm oder kalt serviert.
3. Türkei: Kayısı Tatlısı (Anatolien)
In der Türkei, dem weltweit größten Aprikosenproduzenten (insbesondere die Region Malatya), ist die Kayısı Tatlısı (Aprikosendessert) ein beliebtes traditionelles Dessert.
- Besonderheit und Region: Im Gegensatz zu europäischen Varianten werden hier getrocknete Aprikosen verwendet, die zuvor in Wasser eingeweicht werden.
- Zubereitung: Die eingeweichten Aprikosen werden mit Zucker in leichtem Sirup gekocht oder gedämpft, bis sie sehr weich sind. Die besondere Note entsteht durch die Füllung: Die Aprikosen werden mit einer dicken Schicht Kaymak (türkische Dickrahm) oder Mascarpone und einer gehackten Walnuss gefüllt. Das Resultat ist cremig, intensiv süß und hat einen reichen Nussgeschmack.
4. USA: Aprikosen-Cobbler (Südstaaten-Küche)
Der Cobbler ist ein typisches US-amerikanisches Dessert, bei dem Früchte mit einer Teigdecke bedeckt gebacken werden.
- Besonderheit und Region: Der Aprikosen-Cobbler ist besonders beliebt in den westlichen Bundesstaaten und der Südstaaten-Küche, wo er als rustikales, wärmendes Gericht gilt. Das „Cobbler“-Topping besteht aus Teigstücken, die wie Pflastersteine (cobblestones) auf der Fruchtmasse liegen.
- Zubereitung: Frische oder gefrorene Aprikosen werden mit Zucker, etwas Zimt und Butter vermischt und in eine Auflaufform gegeben. Die Oberfläche wird mit einem dicken Teig aus Mehl, Butter und Zucker belegt. Das Ganze wird gebacken, bis die Fruchtfüllung blubbert und der Teig goldbraun und buttrig weich ist. Klassisch wird Cobbler warm mit einer Kugel Vanilleeis serviert.
5. Afghanistan/Iran: Quroot oder Qamar al-Din (Getrocknete Aprikosen)
Während Qamar al-Din (Aprikosen-Fruchtleder) eher ein Getränk oder Süßigkeit ist, ist die Verwendung der Fruchtbasis in der persischen Küche weit verbreitet.
- Besonderheit und Region: In Afghanistan und im Iran werden Aprikosen nicht primär als Dessert, sondern als würzige süß-saure Komponente in Speisen oder als gesunder Snack genossen. Das gedörrte Aprikosenleder (Qamar al-Din) wird oft in Sirup oder Wasser aufgelöst und als Erfrischung getrunken.
- Zubereitung (als Kompott): Getrocknete Aprikosen werden mit etwas Zucker und Rosenwasser gekocht, bis sie weich sind. Dieses intensiv süße Kompott (Khosh Ab auf Persisch) wird kalt als leichtes Dessert oder Beilage zu Joghurt serviert. Die Verwendung von Rosenwasser verleiht dem Gericht eine unverwechselbare, florale Note.

