Baklava ist weit mehr als nur eine süße Speise; es ist ein komplexes kulturelles Erbe, das die Geschichte von Handelswegen, Reichen und kulinarischer Perfektion widerspiegelt. Dieses Gebäck, bestehend aus hauchdünnen Teigschichten, Nüssen und einem zuckersüßen Sirup, wird heute von zahlreichen Ländern im Nahen Osten, in Nordafrika und auf dem Balkan als Nationaldessert beansprucht. Seine wahre Geschichte ist jedoch eine Reise durch die Imperien.
Die Ursprünge der Baklava sind tief und kompliziert. Vorläufer des geschichteten Desserts lassen sich bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. in Assyrien zurückverfolgen, wo einfache Brotteige mit gehackten Nüssen und Honig geschichtet und in Steinöfen gebacken wurden. Auch in der griechisch-römischen Antike gab es ähnliche Konzepte von honiggetränkten Kuchen. Die Perfektionierung der Baklava, wie wir sie heute kennen, ist jedoch unbestreitbar mit dem Osmanischen Reich verbunden.
Im Topkapı-Palast in Istanbul, der kulinarischen Werkstatt der Sultane, wurde die Zubereitung von Filoteig – dem Herzstück der Baklava – zur Kunstform erhoben. Es erforderte unglaubliche Geschicklichkeit und Ausdauer, den Teig so dünn wie Pergament auszuziehen. Die Hofköche entwickelten die Technik, Dutzende dieser hauchdünnen Blätter mit geklärter Butter (Ghee oder Sade Yağ) zu bestreichen und sie mit einer reichen Füllung aus Pistazien oder Walnüssen zu versehen. Baklava war ein Symbol für Luxus und Feierlichkeit. Es wurde traditionell in großen Mengen zu besonderen Anlässen zubereitet und diente als Ausdruck des kaiserlichen Prestiges, beispielsweise beim jährlichen Baklava Alayı (der Baklava-Prozession), bei dem das Gebäck an die Janitscharen verteilt wurde.
Mit der Expansion des Osmanischen Reiches über den Balkan, Kleinasien und Nordafrika verbreitete sich das Rezept in unzähligen regionalen Varianten. Diese Verbreitung erklärt, warum Griechenland, die Türkei, der Libanon, der Iran und Länder wie Bosnien oder Albanien heute alle ihre eigenen, stolzen Versionen des Gebäcks zelebrieren. Die regionale Vielfalt manifestiert sich hauptsächlich in drei Bereichen:
Erstens, die Füllung: In der Türkei und im Nahen Osten werden Pistazien oft bevorzugt, insbesondere die hochwertigen Antep-Pistazien, die eine leuchtend grüne Farbe und intensiven Geschmack bieten. Auf dem Balkan und in Griechenland dominieren hingegen meist Walnüsse und oft auch Mandeln.
Zweitens, die Form und Textur: Während die türkische Fıstıklı Baklava oft in kleinen, rechteckigen Stücken oder als runde Bülbül Yuvası (Nachtigallennest) serviert wird, sind die Balkan-Varianten oft größer geschnitten. In Bosnien und Herzegowina wird beispielsweise die Textur des Teigs oft etwas dichter gehalten, während die griechische Baklavás Wert auf eine überbordende Sirupmenge legt, die die Schichten fast durchtränkt.
Drittens, der Sirup (Sherbet): Die Art der Aromatisierung des Zuckersirups ist entscheidend. Arabische Länder verwenden oft Rosenwasser oder Orangenblütenwasser, um eine florale Note zu erzielen. In der Türkei dominiert reiner Zitronensaft, um die Süße zu brechen und die Kristallisation zu verhindern, während auf dem Balkan oft Gewürze wie Zimt und Nelken in den Sirup gegeben werden.
Die Zubereitung von Baklava bleibt, auch wenn heute oft fertiger Filoteig verwendet wird, ein Akt der Hingabe. Das präzise Bestreichen jeder einzelnen der bis zu 40 Schichten mit Butter, das gleichmäßige Verteilen der Füllung und das strategische, rautenförmige Zerschneiden vor dem Backen sind essenzielle Schritte. Nur so kann der Sirup später gleichmäßig in das knusprige, heiße Gebäck eindringen, um die einzigartige Balance aus Knusprigkeit und Feuchtigkeit zu schaffen. Baklava ist somit nicht nur ein Genuss für den Gaumen, sondern ein Symbol für Geschichte, Gemeinschaft und die unvergängliche Kunst der süßen Veredelung.

